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29. September 2008 / competenceselling

„Man kann auch berühmt werden, indem man sich als Blödmann anpreist“

Der Hirnforscher Henning Scheich in einem Interview mit der Volkstimme über Intelligenz und Bildung

Professor Henning Scheich (66) ist Wissenschaftlicher Direktor des Magdeburger Leibniz-Instituts für Neurobiologie.
Der internationale Hochbegabtenverein “ Mensa “ hat heute und morgen zu Tagen der Intelligenz ausgerufen. Aus diesem Anlass sprach Philipp Hoffmann mit dem Magdeburger Hirnforscher Henning Scheich über Intelligenz, die Freude an der Dummheit und die Konsequenzen für die Bildung.

Volksstimme : Herr Scheich, inwieweit ist Intelligenz messbar ?

Henning Scheich : Dazu muss man erst einmal Intelligenz defi – nieren. Man kann es so umschreiben : Intelligenz ist die Fähigkeit, Erfahrungen in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen und daraus Handlungsanweisungen abzuleiten, also Problemlösungen und so weiter. Aber das deckt vielleicht nicht alles ab.

Volksstimme : Warum nicht ?

Scheich : Früher ging man von einer allgemeinen Intelligenz aus. Heute setzt sich mehr oder weniger die Ansicht durch, dass es multiple Intelligenzen gibt, die man voneinander unterscheiden kann. Zum Beispiel die abstrakte Intelligenz, die visuelle, akustische, sprachliche, symbolische, musische. Manche sprechen auch von körperlicher Intelligenz.

Volksstimme : Körperlicher ?

Scheich : Ja. Nehmen Sie etwa einen Hochspringer. Es gehört eine gewisse Form von Begabung dazu, seinen Körper entsprechend zu steuern. Die hat nicht jeder. Von allergrößter Bedeutung ist aber auch die so ziale Intelligenz.

Volksstimme : Was ist damit gemeint ?

Scheich : Dazu gehört die Fähigkeit, sich emotional und intellektuell in andere hineinversetzen, sich vorstellen zu können, wie andere denken. Zudem muss man über Strategien verfügen, wie man in der Gruppe zu einem Konsens oder auch zu einer Dominanz kommt.

Volksstimme : Wie sind verschiedene Formen von Intelligenz neurobiologisch zu erklären ?

Scheich : Das ist relativ simpel. Das Hirn ist eine Ansammlung von höchst spezialisierten Arealen. Sie haben selektive Verbindungen zu anderen Arealen. Einen separaten Speicher gibt es nicht. Da, wo gerade eine Erfahrung gemacht wird, wird sie auch verankert. Das unterstützt die Annahme, dass es mehrere Intelligenzen gibt. Wir wissen ja auch, dass manche Menschen verbal sehr gut lernen, andere motorisch, einige müssen etwas aufschreiben, die nächsten merken sich Bilder dazu und so weiter.

Volksstimme : Welchen Stellenwert hat Ihrer Beobachtung nach Intelligenz in der Gesellschaft ? Ich denke zum Beispiel an ein Buch wie “ Generation Doof „, in dem es um Menschen geht, die ihre Dummheit lustig finden.

Scheich : Ja, ich habe das Buch gelesen. Die Frage, wie hoch Intelligenz gewertet wird, bringt ein Problem zutage : Die Gesellschaft entfernt sich großteils von der Vorstellung, dass das Fördern der Intelligenz gut ist. Stattdessen sind heutzutage zwei Dinge wertebestimmend : Geld und Bekanntheit. In dieser materiellen Werteauffassung kann man auch ohne Intelligenz reich und berühmt werden. Beispielsweise, indem man sich im Fernsehen als Blödmann anpreist und die Leute das toll finden.

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